Nachdem ich nun endlich meine zu Anfang über 1.000 Photos zählende Bildersammlung von unserem Russland-Trip halbwegs sortiert und reduziert habe, finde ich hiermit endlich die Zeit und Muße den lange überfälligen Reisebericht nachzureichen.
Los gings am 30.10.2007. Da der eigentliche Trip - organisiert von einem finnischen Reiseveranstalter in Zusammenarbeit mit dem Erasmus Student Network - in Stockholm startete, fuhr ein Großteil der Linköpinger mit dem normalen Linienbus dorthin. Aufgrund unserer großzügigen Zeitplanung waren wir unter den Ersten am Fährterminal und konnten beobachten wie nach und nach die insgesamt knapp 50 Teilnehmer von Universitäten aus ganz Schweden eintrafen. Austauschstudenten aus Linköping, Stockholm, Göteborg, Lund, Uppsala, Jönköping und Norrköping waren mit von der Partie. Insgesamt ein nationalitätentechnisch bunt zusammengewürfelter Haufen, und die Stärke der deutschen Fraktion war geringer als erwartet.
Die erste Nacht verbrachten wir dann auf der Fähre gen Finnland. Bereits hier deutete sich die Richtung an, in welche es in den nächsten Tagen noch verstärkt gehen sollte: viel Party und sehr wenig Schlaf... Am nächsten Morgen betraten wir in Turku finnischen Boden und bestiegen unseren Reisebus, der uns in den kommenden Tagen hunderte von Kilometern über finnische und russische Straßen befördern sollte. Dabei leisteten unsere beiden finnischen Busfahrer-Originale Kimi und Erki einen großartigen Job und ließen sich selbst durch widrige russische Straßenverhältnisse, Verkehrschaos und auf unterschiedlichste Art verursachte Verspätungen so gut wie niemals aus der Ruhe bringen. Dabei standen sie uns mit kleineren Drohungen und Warnungen der Sorte "Don't do anything stupid!" - in brüchigem Englisch und mit dem unverkennbaren finnischen Akzent - wohlmeinend zur Seite.
Der zweite Tag verlief relativ unspektakulär, schließlich saßen wir annähernd zwölf Stunden im Bus, ehe wir am Abend St. Petersburg erreichten. Erwähnenswert sind vielleicht noch die drei (oder waren es sogar vier?) Kontrollen die wir im Grenzgebiet zwischen Finnland und Russland über uns ergehen lassen mussten. Desweiteren interessant und amüsant war der sogenannte "Mobile Russian Money Exchange": Auf einem Parkplatz kurz nach der russischen Grenze näherte sich unserem Bus ein heruntergekommener weißer Transporter (wie wir später beobachten konnten waren dessen Fahrer und unsere beiden Busfahrer alte Bekannte, und Kimi und Erki konnten ihre Provision in Form von zwei Paletten Bier einstreichen), die Ladefläche voll mit Bier, Wodka, Champagner, Zigaretten usw. Zu günstigen Preisen konnte man sich hier schonmal mit dem Nötigsten eindecken. Zudem fungierte das Gefährt als mobile Wechselstube und wir konnten unsere Euros zu einem aktzeptablen Kurs gegen Rubel eintauschen. Fraglich nur wie der Fahrer auf den einsamen russischen Straßen seine Sicherheit gewährleistet, wo er doch immer mit fünfstelligen Euro-Beträgen in der Tasche herumkutschiert. Aber vielleicht hat er ja unter dem Sitz sein AK-47 liegen...
Direkt nachdem wir unsere Zimmer (ich teilte meines mit Steffen) im Hotel Ladoga bezogen hatten - welches mich ebenso wie unser Hotel in Moskau positiv überraschte - machten wir uns auf Richtung "Newski-Prospekt" (die Hauptstraße der Stadt) um das nächtliche St. Petersburg zu erkunden. Nach einem guten russischen Essen in einer kleinen urigen Kneipe zogen wir weiter ins "Griboyedow", einem Club in einem ehemaligen Luftschutzbunker. Von der Location und der Musik her durchaus sehens- bzw hörenswert! Dort ließen wir den Abend ausklingen. Zurück ins Hotel gings per Taxi, wobei hier die Preise erheblich schwanken und durch gutes Verhandlungsgeschick immer wieder erstaunliche Verbilligungen erzielt werden können. Ein Preisvergleich am nächsten Tag belegte, dass andere für dieselbe Strecke zwischen 100 und 150 Prozent mehr bezahlt hatten. Am günstigsten fährt es sich mit den "inoffiziellen" Taxen, irgendjemand findet sich wohl immer der dich für ein paar Rubel nach Hause fährt... Vom Zustand der jeweiligen Beförderungsmittel (bevorzugt Lada) und den waghalsigen Fahrmanövern der Russen will ich gar nicht sprechen, sowas sollte man am besten mal selbst erlebt haben ;)
Nach wenigen Stunden Schlaf began der dritte Tag mit einer geführten Sightseeing-Tour per Bus quer durch St. Petersburg. Sehenswürdigkeiten wie "Auferstehungskirche" und "Isaakskathedrale" standen auf dem Programm. Am Nachmittag besuchten wir dann die "Eremitage", eines der größten und bedeutendsten Kunstmuseen der Welt, in welchem es in mehr als 1.000 Sälen über 60.000 Exponate zu sehen gibt. Wirklich beeindruckend! Abends hatten wir Karten für eine "Russian Folk Dance Performance", welche meines Erachtens etwas zu touristisch aufgemacht war, unterm Strich aber doch ganz nett anzuschauen.
Am Morgen des vierten Tages hieß es wieder einmal "all luggage to the buses". Mit demselbigen gings dann vor die Tore der Stadt nach Puschkin, wo wir den "Katharinenpalast" besichtigen konnten, in dem sich bekanntlich die Rekonstruktion des berühmten Bernsteinzimmers befindet. Den Nachmittag verbrachten wir dann erneut in der Stadt auf und um den "Newski-Propekt". Gegen Abend unternahmen wir noch einen längeren Fußmarsch entlang der Neva zur "Peter-und-Pauls Festung", wobei sich uns ein toller Blick auf das hell erleuchtete St. Petersburg bot.
Danach brachen wir zu unserem ersten Overnight Drive Richtung Moskau auf. Wer annahm, dass sich die Hauptverbindungsstraße zwischen diesen beiden großen Städten eigentlich in einem halbwegs guten Zustand befinden sollte, wurde schnell eines Besseren belehrt. Man könnte sie durchaus als Schlaglochpiste übelster Sorte bezeichnen, was unsere Busfahrer allerdings nicht davon abhielt diese mit beträchtlicher Geschwindigkeit zu befahren. An Schlaf war anfangs somit nicht zu denken, zumal die Fraktion der trinkfreudigen Australier im hinteren Teil des Busses eine kleine Party veranstaltete. Erst zu fortgeschrittener Stunde wurde die durch den Schlafmangel der letzten Nächte hervorgerufene Müdigkeit so groß, dass allmählich Ruhe einkehrte und man zwischen Phasen dämmernden Halbschlafs einige Minuten richtigen Schlafs genießen konnte. Ich tat mich dabei trotz viel zu geringer Beinfreiheit und daher äußerst unbequemer Schlafposition leichter als manch anderer - was man nicht alles bei der Bundeswehr gelernt hat ;)
Der Vormittag des fünften Tages begann nach unsere Ankunft in Moskau mit einer weiteren geführten Sightseeing-Tour per Bus. Viele hätten wohl lieber noch weitergedöst, doch die beeindruckende Kulisse Moskaus zog unsere Aufmerksamkeit auf sich. Der permanente Redefluss unserer russischen Fremdenführerin tat ein Übriges. Besonders beeindruckend war natürlich der "Rote Platz", an welchen das riesige Gelände des "Kreml" grenzt. Einen Besuch des ebenfalls dort befindlichen "Lenin-Mausoleums" wollten wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Nach moderater Wartezeit und Durchsuchung beim Einlass (keine Kameras erlaubt) konnten wir schließlich unter den strengen Blicken der Wachsoldaten (stehenbleiben verboten) am beleuchteten Kristallsarg Lenins vorüberschreiten. Natürlich gibt es über diese ehemals wichtigste Sehenswürdigkeit der Sowjetunion zahlreiche amüsante Geschichten. Darunter auch folgende: Als vor einigen Jahren ein Lenin-Look-Alike Contest stattgefunden hatte, der Sieger unter mysteriösen Umständen verschwand und das Mausoleum zeitgleich für mehrere Tage geschlossen blieb, erstrahlte die Leiche Lenins danach wieder in neuem Glanz ;)
Nach Beendigung der Sightseeing-Tour bezogen wir unsere Zimmer im Hotel Kosmos, wo wir uns eine kurze Ruhepause gönnten. Am Abend zogen wir dann mit einer kleinen Gruppe unter Führung dreier ortskundiger russischer Mädels, Bekannte unseres mitreisenden Holländers Thijs, durch mehrere Kneipen und Bars. Am Ende landeten wir schließlich in einem Club namens "Propaganda", wo wiedermal ausgiebig gefeiert wurde...
Nach einer kurzen Nacht stand am Vormittag des sechsten Tages eine geführte Tour auf dem Gelände des "Kreml" auf dem Programm. Danach hatten wir Zeit Moskau auf eigene Faust zu Fuß bzw per U-Bahn zu erkunden. Allerdings musste man an diesem Tag, dem 04.11. (Tag der Einheit des Volkes), einem der Nationalfeiertage in Russland, selbst als Fußgänger mitunter weite Umwege in Kauf nehmen, da ungefähr die halbe Stadt durch ein riesiges Polizei- und Militäraufgebot gesperrt wurde. Der Rote Platz war weiträumig abgeriegelt und auf zahlreichen Straßen war aufgrund improvisiert anmutender Straßensperren durch LKWs kein Durchkommen mehr, zumindest für den Autoverkehr. Was genau am Roten Platz selbst eigentlich stattfand, wusste keiner so genau... Wir entschieden uns schließlich der "Tretjakow-Galerie", dem größten Museum russischer nationaler Kunst, noch einen Besuch abzustatten. Für den Abend hatten wir Karten fürs Ballett im "Bolschoi-Theater". Aufgeführt wurde "Giselle". Sehr beeindruckend! Und das trotz ziemlich mieser Plätze ganz oben am Rand. Da wurden wir mit umgerechnet 40EUR Eintrittspreis als Touristen wohl wieder mal über den Tisch gezogen, was uns allerdings nicht mehr verwunderte, hatten wir doch schon in den vergangenen Tagen die "beiden Preissysteme" Russland kennengelernt - eines für die Russen und eines für die Ausländer/Touristen. Desöfteren gibt es sogar unterschiedliche Kassen für ein und dieselbe Attraktion... Nach dem Ballett bestiegen wir wieder unseren Bus voller Erwartung des bevorstehenden zweiten Overnight Drives zurück nach St. Petersburg ;) Immerhin wurden wir - zu Ehren des Feiertages - noch mit einem fulminanten Feuerwerk verabschiedet...
Nach wenigen Stunden Schlaf (wenn man diesen im heftig schaukelnden Bus überhaupt als solchen bezeichnen kann) erreichten wir am Morgen des siebten Tages wieder St. Petersburg. Den Tag verbrachten wir mit der weiteren Erkundung der Stadt, es gab ja doch noch so einiges, was wir noch nicht gesehen hatten. Hervorzuheben wäre dabei der tolle Blick, der sich uns bei bestem Wetter von der Kolonnade der "Isaakskathedrale" auf die Stadt bot, sowie das ehemalige russische Kriegsschiff "Aurora", das heute ein Museum beherbergt. Abends sollte zum Abschluß noch einmal anständig gefeiert werden. Nach einer Pre-Party in unserem Hotel gings dann (fast) mit der kompletten Gruppe in den Club "Revolution", wo bis in die frühen Morgenstunden die Post abging...
Nach nur ein oder zwei Stunden Schlaf hieß es dann am achten Tag schon wieder aufstehen und abfahren. Die Rückreise nach Finnland verlief ohne Zwischenfälle, die meiste Zeit hab ich wohl eh gepennt. An der russisch-finnischen Grenze konnten im Duty-Free-Shop für die letzten verbliebenen Rubel noch billiger Wodka und unser bevorzugter Minttu erworben werden. In Turku legte dann am Abend wieder die Fähre Richtung Stockholm ab. Aufgrund des anstrengenden Kultur- und Partyprogramms der vergangenen Tage und des damit einhergehenden akuten Schlafmangels wollte an diesem letzten Abend allerdings keine so rechte Feierstimmung mehr aufkommen und wir legten uns relativ zeitig in unsere Kojen.
Tag neun beinhaltete nur noch die Ankunft in Stockholm und die Rückreise per Bus nach Linköping... Anschließend schlafen... :)
Fazit: Alles in allem ein wirklich grandioser Trip! Russland, ein Land das sich doch in vielerlei Hinsicht von dem unterscheidet, was ich bisher kennengelernt habe. Moskau und St. Petersburg, zwei beindruckende, riesige Städte. Die zwei Tage in Moskau waren leider etwas wenig, gerne hätte ich noch mehr von dem gesehen, was diese Stadt noch so alles zu bieten hat. Insgesamt eine durchwegs gelungene Mischung aus Kultur und Party, das Ganze zusammen mit einer Gruppe cooler Leute, top!
2007-11-12
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